Ausverkauf des deutschen IT-Mittelstands?
Die IT-Branche ist vielfältiger als mache es vermuten. Zwar gibt es da die Global-Player wie IBM, Microsoft, SAP, Google, Amazon & Co. aber daneben gibt es alleine in Deutschland ca. 7.000 Softwareunternehmen, die meist sogenannte vertikale Nischenmärkte mit spezialisierten Softwarelösungen erfolgreich bearbeiten. Der Marktanteil der IT-Mittelständler im ERP-Segment beträgt ca. 50 % neben SAP und Microsoft. Dies zeigt eindrucksvoll die Relevanz des IT-Mittelstands.
Im Rahmen der anstehenden Unternehmensnachfolgen der Gründergenerationen wechseln zunehmend die Eigentümer. Spezialisierte private equity, family offices und internationale Strategen kaufen gezielt strategisch ein.
Dabei hat sich Elvaston Capital Management gezielt die größeren ERP-Anbieter „geschnappt“ jenseits der 10 Mio. € Umsatzschwelle wie z.B. Selectline, step ahead, godesys aber auch Logistik Softwareanbieter wie active logistics und pro logistik.
Main Capital hat noch breiter investiert z.B. in die MACH AG und Data-Plan im Softwaremarktsegment für öffentlichen Verwaltung. Auch die gerade vollzogene Gründung eines internationalen Softwarekonzerns mit der schwedischen Blika und der deutschen Audimex, die sich auf Lösungen für Governance-, Risk- und Compliance-Prozesse (“GRC”) spezialisiert haben zeigt die „buy and build“ Strategie der Main.
LeaPartners hat als reine deutsche private equity Gesellschaft sich ebenfalls auf vertikalen Branchen wie z.B. das Handwerk spezialisiert. Zu den erworbenen Softwareunternehmen zählen: TAIFUN, M-Soft, PinnCalc, bauOffice und Engel Dataconcept.
Mit zvoove hat LeaPartners ein Softwareunternehmen mit über 300 Mitarbeitern für die Branchen: Gebäudedienstleistung, Personaldienstleistung und Veranstaltungsbranche entwickelt. zvoove ist 2021 aus dem Zusammenschluss von LANDWEHR, rhb, prosoft und BackOffice entstanden und ist derzeit an fünf Standorten in Deutschland und der Schweiz präsent. Weiterhin hat LeaPartners mit der Base-Net Informatik AG seine Financial Services Software-Plattform begründet inzwischen durch SUBITO und der b+m Gruppe erweitert wurde.
Auch Battery Ventures hat ein breites Portfolio an Softwareunternehmen zugekauft. Prominentestes Beispiel ist die CRAFTVIEW-Gruppe, die mit Winworker, es2000, Gilde Software, KS21, MOSER, OS Datensysteme, wie LeaPartner den Handwerkersoftwaremarkt fokussiert.
Bid Equity hat 2017 mit der myneva Group ein Markendach für Softwareanbieter des Sozialwesens geschaffen und 2021 an den Summa Equity Fund II veräußert.
Das was die Private Equity Unternehmen im Großen umsetzen, setzt family offices und Strategen wie die Constellation Group, in kleineren „Einheiten“ um. Da deren Sichtweise meist langfristig ausgelegt ist, sind diese auch in der Regel nicht bereit höhere Marktpreise/Multiples zu bezahlen, was dazu führt, dass Sie gegen die Angebote der Private Equity regelmäßig verlieren. In der Praxis stellen wir oft fest, dass Softwareunternehmer die an familiy offices und Strategen verkaufen, oft es zu ihrem Nachteil unterlassen haben ein Angebot von Seiten der Private Equity einzuholen.
Sind wir nun mitten im Prozess des Ausverkaufs des deutschen IT-Mittelstands?
Um das zu beurteilen ist es hilfreich die Argumente zu kennen, die IT-Unternehmer dazu bewegen ihr Softwareunternehmen zu veräußern.
- Wir stehen vor der Internationalisierung, das wollen wir mit einem starken strategischen Partner umsetzen, der uns teure Fehler vermeiden hilft.
- Die Möglichkeit sich Rück zu beteiligen ist eine hervorragende Möglichkeit auch fair vom zukünftigen Unternehmenswachstum zu profitieren (.. .eine Aussage vor allem von Unternehmern, die eigentlich noch 15 Berufsjahre vor sich haben).
- Die zukünftigen Anforderungen an Softwareunternehmen wie z.B. Security, Cloudlösungen, Personalknappheit, Migration von veralteten Entwicklungsplattformen, etc. bringen hohe Investitionen bei gleichzeitig höher werdenden Risiko mit sich, das wollen wir vermeiden und jetzt bei sehr guten Kaufangeboten für uns den Exit finden.
- Die neu entstehenden „Branchensoftware-Cluster“ von private Equity Unternehmen werden uns kurz oder lang das Leben nicht einfacher machen – da schwimmen wir lieber mit denen als alleine.
Sehr unterschiedliche Argumente die IT-Unternehmer zu der Verkaufsentscheidung bewegen. Führt dieser Trend zu einem Ausverkauf des IT-Mittelstands?
Aus unserer Erfahrung sind die meisten von private Equity zugekauften Unternehmen sehr gut aufgestellte Softwareunternehmen, mit EBITDA – Margen von + > 25%. Fraglich ist, ob diese Performance nach Unternehmensverkauf auch weiterhin aufrecht zu erhalten ist. Letztendlich werden die Kunden der Softwareunternehmen entscheiden, ob sie den neuen Strategien folgen möchten oder den Anbieter wechseln, was für die Marktbegleiter eine Chance darstellt.
Ultimative Produktwechsel auf einen Softwareanbieter innerhalb der von private Equity geschaffenen Softwaregruppen werden nach den bisherigen Erfahrungen meist von den Kunden abgestraft und führen zur Stärkung des Wettbewerbs.
Insofern entstehen neue Chancen für den IT-Mittelstand, aber auch nur dann, wenn es ihm gelingt starke Betriebsergebnisse umzusetzen mit dem die kommenden Herausforderungen auch finanziert werden können.
Auf dem 18. IT-Unternehmertag am 26.9./27.9.2022 gibt es die Möglichkeit sich auf Augenhöhe mit anderen IT-Unternehmern*innen auszutauschen und sich ein eigenes Bild von der Zukunft des IT-Mittelstandes zu machen.